Montag, 15. Juli 2013

Heliamphora nutans - eine karnivore Pflanze auf Roraima

Aktualisiert: 21.02.2015

In den Statistiken zu diesem Blog habe ich vermehrt das Suchwort "Heliamphora nutans" gesehen. Ich habe ja einige Fotos dazu unter den Berichten zur Besteigung vom Roraima veröffentlicht. Also habe ich mich auf die Suche nach den Informationen für einen Steckbrief gemacht und festgestellt, dass es nicht allzuviel über diese karnivore Pflanze im Freiland zu finden gibt. Sie ist endemisch auf Roraima, aber doch seit mindestens Anfang der 80er Jahre in einigen Haltungen der Welt vorhanden (siehe die Tips zur Haltung der Gattung bei der International Carnivorous Plant Society [en]). Die frühen Besteiger haben sich auf Roraima bedient und Pflanzen entnommen. Die Art ist sehr schwer zu halten und da sie nur auf Roraima vorkommt bitte ich dringend, zwar Fotos zu machen, sie aber nicht anzufassen oder gar aus dem Boden zu reißen! Erstaunlich ist, dass sie weder bei der IUCN, noch in den roten Listen oder durch die CITES-Abkommen geschützt ist. Für Roraima als Nationalpark gilt per Gesetz, dass nichts von dort entnommen werden darf. IMPARQUES überprüft nach Rückkehr der Besteiger des Roraimas daher deren Gepäck!



Heliamphora nutans
Heliamphora nutans mehrere Einzelpflanzen
Es folgt der Steckbrief.
Heliamphora nutans
Syn.: Sarracenia nutans, Heliamphora heterodoxa
Klasse: Magnoliopsida / Rosopsida(3)
Ordnung: Ericales (Heidekrautartige)
Familie: Sarraceniaceae (Schlauchpflanzengewächse)

Spanisch: ningún nombre vulgar
Englisch: Venezuelan marsh pitcher(4), sun pitcher(4)
Deutsch: Der nickende Sumpfkrug(5)
Portugiesisch:
Französisch: Heliamphore à fleurs inclinées (7)


Heliamphora nutans am natürlichen Standort
Heliamphora nutans am natürlichen Standort Roraima Tepui


Verbreitung:
Brasilien: Roraima
Guyana: Roraima
Venezuela: Bolívar: Plateau des Roraima5,12, Kukenán7,8,12 Yuarani (9), Tramen(8)




Vorkommen:
Sicher kommt Heliamphora nutans auf dem Tafelberg Roraima [5°08′36″N; 60°45′45″W] vor5,10,12 (siehe Fotos von mir). Die schönsten Exemplare habe ich kurz vor Erreichen der Gipfelebene gesehen. Roraima ist ein Berg im Dreiländereck Venezuela, Brasilien und Guyana.
Im deutschen Wikipedia(6) werden auch die Tafelberge Kukenán [5°12′36.38″N;60°49′52.18″W] 7,8, IlluYuruani [05°18′41″N; 60°51′47″W](9) und Tramen [5° 27' 00" N; 61° 03' 00" W][nicht auf dem Plateau des Tramen, jedoch auf einer auf der Hälfte der Höhe gelegenen Stufe](8)genannt, aber da bin ich mir sehr unsicher, da ich darauf bisher nicht für alle angegebenen Orte Hinweise in der mir zugänglichen wissenschaftlichen Literatur gefunden habe. Die deutsche Wikipedia-Seite ist zurzeit nur eine unvollständige Übersetzung der englischen Wikipedia-Seite (1) und gibt zusätzlich noch die Referenzen für das Vorkommen nicht an. Indirekte Hinweise habe ich über Angaben von Fotos gefunden, die gefundenen Referenzen aus dem Internet habe ich entsprechend angegeben.
Auf anderen Tafelbergen kommen andere Heliamphora-Arten vor. (Mount Ilu H. ionasii8,10; Tiefland Gran Sabana H. heterodoxa12 und H. minor)3 (Churi-tepuy H. minor)4 ; (Auyantepui H. heterodoxa12 und H. minor10, Aracamuni H. tatei, Huachamacari H. tatei10,12, Mount Duida H. tatei10, Murosipan  H. heterodoxa, Aparamán (Tereké-Yurén) H. heterodoxa, Kamacaibari H. heterodoxa, Chimanta H. minor)8 Mount Ptari-tepui H. heterodoxa10, Cerro la Neblina H. neblinae10.

Beschreibung:
Die Kanne ist 10-15cm [5-29cm][13-30 cm]14 lang und besitzt eine Verengung im oberen Bereich. Die kleine Kappe am oberen Ende der Kanne ist rot gefärbt. Sie enthält viele Nektar produzierende Drüsen. Innen ist die Kanne im unteren Bereich mit scharfen, nach unten gerichteten Haaren besetzt, die mittlere Region ist so glatt, das Insekten keine Halt an der Innenwand finden können, der obere Bereich besitzt lange, flexible, nach unten gerichtete Haare, die sich mit Nektardrüsen abwechseln.13 Die Kanne ist auffallend in der Mitte zu einer aufgeblasenen, bauchähnlichen Form geweitet.14
Es befindet sich durchschnittlich 3,9 ± 3,3ml Flüssigkeit in der Kanne, die durch Regen hinzugefügt wird. Ein Volllaufen wird durch ein Überlaufsystem verhindert. Die durchschnittliche Temperatur der Flüssigkeit am Morgen beträgt 9,5 ± 2,5°C und Mittags 19,8±2,6°C. In Heliamphora nutans wurden keine Verdauungsenzyme in der Kannenflüssigkeit gefunden. 50% aller Kannen beinhalten kleine Tiere, aber auch abgestorbene Blätter sind häufig. Im Freiland wurden Cyanobakterien in der Flüssigkeit gefunden, die der Pflanze helfen könnten eine N2-Fixierung durchzuführen. Der morphologische Aufbau der Kanne vermindert die Gefahr von Austrocknung, Überhitzung oder Erfrierungen der Pflanze.1 Pflanzen, die an sonnigen Standort wachsen, sind intensiver gefärbt, bleiben aber kleiner. An feuchten Standorten mit verminderter Sonneneinstrahlung und unter Windschutz werden die Pflanzen am größten.3



Blüten und Früchte:



Heliamphora nutans Blüte und Knospen
Heliamphora nutans Blüte und Knospen
Die Knospe ist rot und die Blüte weiß mit einigen rötlichen Bereichen. Die Blüte besitzt 10 [10-14]3 Staubgefäße.13 Der Blütenstiel ist nicht behaart.3,14


Heliamphora nutans Knospen
Heliamphora nutans Knospen

2-4 Blüten pro Schaft.3 Die Kelchblätter sind 3,5-5cm lang.14




Heliamphora nutans Blüte innen
Heliamphora nutans Blüte innen
Staubbeutel sind kleiner als 4,5mm [3-4mm14].3



Heliamphora nutans Fruchtansatz
Heliamphora nutans Fruchtansatz

Reproduktion:
Die Pflanze wird vermehrt indem sie vereinzelt wird, der Wurzelballen geteilt wird.3 In der Natur wächst Heliamphora nutans auf dem Roraima-Plateau sehr langsam, nur 3-4 Blätter entwickeln sich pro Jahr bei einer ausgewachsenen Pflanze. Das mag an den niedrigen Temperaturen, dem geringen Mineraliengehalt im Boden bis hin zu der geringen Anzahl von Insekten liegen. Ein unbedachtes Zertreten der Pflanze von Besuchern des Roraima können daher dazu führen, das die Pflanzen ein ganzes Jahr benötigen um wieder in der gleichen Anzahl vorhanden zu sein.3

Sonstiges:
In der Flüssigkeit in der Kanne von Heliamphora nutans wurden folgende Flora und Fauna gefunden1:
  • Klebsiella sp. (Eubacteria)
  • Pseudomonas sp. (Eubacteria)
  • Serratia sp. (Eubacteria)
  • Graphidium sp. (Fungi)
  • Penicillium sp. (Fungi)
  • Cercomonas sp. (Protozoa)
  • Calothrix sp. (Algae, Cyanophyta)
  • Oscillatoria sp. (Algae, Cyanophyta)
  • Arachneae (Arachnida)
  • Metriocnemus sp. (Diptera)
  • Wyeomyia fishii (Diptera)
  • Wyeomyia sp. (Diptera)
  • Wyeomyia zinzala (Diptera)
Speziell auf Mount Roraima wachsende Heliamphora nutans wurden folgende Dipteren in den Kelchen gefunden2:
  • Wyeomyia zinzala12 Larven (Diptera) 6,0±1,3 Larven /Kanne in der Regenzeit [in 2252m Höhe]11
  • unbestimmte Mückenlarven (Diptera; Chironomidae) 0,7±0,2 Larven/ Kanne in der Regenzeit
Der Autor2 nimmt an, dass die Kanne als Habitat für die Mückenentwicklung (wie auch in Bromelien6) dient, da unterschiedliche Entwicklungsstadien der Mücken gefunden wurden.

Auf dem Kukenán wurden in Heliamphora nutans folgende Tiere (Ameisen ausgenommen)gefunden:8
und zwar als Bewohner:
  • Metriocnemus sp. (Diptera)
  • Wyeomyia sp. (Diptera)
  • Aranae (Spinnen)
als Beute:
  • Culicoides sp. (Diptera)
  • Sciaridae (Familie Trauermücken; Diptera)
  • Coleoptera (Käfer)
  • Diptera (Zweiflügler)
  • Dictyoptera
  • Homoptera (Gleichflügler)
  • Hymenoptera (Bienen)
  • Orthoptera (Heuschrecken)
  • Scorpiones (Skorpione)

In einem Experiment wurde die Glätte der Innenwand von Heliamphora nutans bei Trockenheit und Nässe verglichen und zwar wird durch die nasse Behaarung auf der Innenwand des Trichters die Haftung der Haftkissen an den Füssen von Ameisen aufgehoben. Ein Video verdeutlicht das.(2)

!:
IUCN 2013: nicht enthalten, Libro Rojo de la Flora Venezolana (2003)9: Nicht enthalten), CITES nicht enthalten

Referenzen:
1Adlassnig W., Peroutka M., Lendl T.(2011): Traps of carnivorous pitcher plants as a habitat: composition of the fluid, biodiversity and mutualistic activities; Annals of Botany, 107:181-194.[en]
2Barrera R., Fish D., Machado-Allison C.E. (1989): Ecological patterns of aquatic insect communities in two Heliamphora Pitcher-Plant Species of the Venezuelan Hightlands; Ecotropicos 2(1):31-44.[en]
3Baumgartl W. (1993): The genus Heliamphora; Carniv. Pl. Newslett. 22(4):86-92. [en] Mit Bestimmungsschlüssel für einige Heliamphora-Arten (H. nutans, H. minor, H. ionasii, H. heterodoxa incl. var: exappendulata f. glabella, H. tatei incl. var. tatei; f. macdonaldae, f. tyleri, var. neblinae; f. parva.)
4Brewer-Carías C. (2012-2013): Chronicas de la selva - Las plantas carnívoras de los tepuyes; Revista Río Verde 9:73-88.[es]
5Brewer-Carías C. (2012): Chronicas de la selva - Roraima madre de todos los ríos; Revista Río Verde, 8:79-96. [es]
6Frank J.H.& Lounibos L.P.(2009): Insects and allies associated with bromeliads: a review; Terr. Arthropod. Rev. 1(2):125-153.[en]
7Gonzalez, J.M., K. Jaffe & F. Michelangeli (1991). Competition for prey between the carnivorous Bromeliaceae  Brocchinia reducta and Sarraceneacea Heliamphora nutans. Biotropica 23(4B): 602–604 [en]
8Jaffe K., Michelangeli F., Gonzalez J.M., Miras B., Ruiz M.C. (1992): Carnivory in pitcher plants of the genus Heliamphora (Sarraceniaceae); New Phytol.122:733-744.[en]
9Llamozas, Silvia; Duno de Estefano, Rodrigo; Meier, Winfrid; Riina, Ricarda; Stauffer, Fred; Aynard, Gerardo; Huber, Otto; Ortiz, Rafael (2003): Libro Rojo de la Flora Venezolana, 1. Ed., Fundación Polar, Caracas, Venezuela, 554p, ISBN: 980-6355-03-2, (S.-) [es] unter http://www.lrfv.org/libro-rojo-de-la-flora-venezolana online einsehbar.
10Mazrimas J.A. (1979): Recent status of Heliamphora; Carnivorous Plants Newsletter; p.82-85. [en]
11Navarro J-C., Del Ventura F., Zorrilla A., Liria J. (2010) Registros de mayor altitud para mosquitos (Diptera: Culicidae) en Venezuela; Rev. biol. trop 58(1):245-254; ISSN 0034-7744. [es]
12Navarro J-C., Liria J., Piñango H., Barrera R. (2007): Biogeographic area relationships in Venezuela: A Parsimony analysis of Culicidae - Phytotelmata distribution in National Parks; Zootaxa 1547:1-19 [en]
13Pietropaolo J. & Pietropaolo P. (1986): Carnivorous Plants of the World, ISBN 0-88192-356-7 unter http://de.scribd.com/doc/24438431/Botany-Carnivorous-Plants-of-the-World-James-Pietropaolo abrufbar;(S.68) [en]
14Steyermark J.A. (1951): Contribution to the flora of Venezuela, Chicago National History Museum, Fieldiana, Botany Ser. 28(1-4)1190pp. [en]
unter http://libsysdigi.library.illinois.edu/oca/Books2009-04/contributionstof2811stey/ abrufbar

Web:
http://en.wikipedia.org/wiki/Heliamphora_nutans (1)[en]
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/280/1753/20122569/suppl/DC1 (2) [en, Video]
http://www.fleischfressendepflanzen.de/db/species.ffp?id=8 (3) [de] außer Angaben zur Systematik keinen nennenswerten Informationen.
http://www.kew.org/plants-fungi/Heliamphora-nutans.htm (4) [en]
http://www.indoorhouse.de/Heliamphora6.html (5) [de]
http://de.wikipedia.org/wiki/Heliamphora_nutans (6) [de]
http://fr.wikipedia.org/wiki/Heliamphora_nutans (7)[fr]
http://www.heliamphora.de/01b021930e071c31f/01b021932610fda1e/01b021933313ee32d/index.html (8)[en]
http://www.wistuba.com/shop/heliamphora/heliamphora/h-nutans-yuruani-tepui.php (9) [en]

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