Donnerstag, 4. Februar 2016

Weißkehl-Faultier - Bradypus tridactylus - Pereza de tres dedos Guayanesa

Aktualisiert: 04.02.2016

Obwohl Faultiere in Venezuela recht häufig zu finden sind, habe ich sie früher immer nur ganz oben an einen Baum geklammert gesehen. So sahen sie aus wie ein großer Klumpen und waren von einem hoch gelegenen Termitennest häufig nicht zu unterscheiden.
Diesmal ist es gelungen. Bei La Horqueta im Delta Amacuro hing ein Weißkehl-Faultier an den Beinen vom Baum und kratzte sich genüsslich die Brust. Als wir mit dem Boot anhielten um es zu beobachten, kam aber doch eine erstaunliche Bewegung in das Tier, dass sich wieder hochzog und versuchte sich hinter den Blättern zu verstecken. Einen Blick zu uns inbegriffen.



Häufig sind sie beim Überqueren der Straßen zu sehen, dies führt aber auch regelmäßig zum Unfalltod der Tiere. Man kann sie aber vorsichtig unter den Achseln fassen und an den Straßenrand tragen.



Es folgt der Steckbrief:
Bradypus tridactylus (Linnaeus, 1758)
Syn: siehe Hayssen6 (sehr viele Synonyme)
Stamm: Vertebrata (Wirbeltiere)
Klasse: Mammalia (Säugetiere)
Überordnung: Xenarthra (Nebengelenktiere)
Ordnung: Pilosa (Zahnarme)
Unterordnung: Folivora (Faultiere)
Familie: Bradypodidae (Dreifinger-Faultiere)

Spanisch: Pereza de tres dedos Guayanesa7
   Warao: buraca7
   Pemón: kwaran, kuaran7
   Kariña: kupirisi7
   Makushi: kuwaran7
Englisch: Pale-throated Three-toed Sloth, Pale-throated Sloth(2),4
Deutsch: Weißkehl-Faultier (1)
Portugiesisch: preguiça-de-bentinho
Französisch: Paresseux à trois doigts, Paresseux à gorge claire, Mouton paresseux, Aï

Männliches Dreizfinger-Faultier,
erkennbar an dem dunklen Streifen am Rücken.

Verbreitung:(2)
Brasilien
Franz. Guiana
Guayana
Surinam
Venezuela: Südlich des Orinoko, im Delta des Orinoco11























Habitat:
Nur in einem Habitat vorkommend: im immergrünen Laubwald11,7, Tropischen Feuchtwald8. Häufig sind sie in Sekundärwäldern und forstwirtschaftlich bewirtschafteten Wäldern aufzufinden7. Sie sind baumbewohnend.8,7 Einmal in der Woche kommen sie an den Boden um zu defäkieren und graben mit dem kurzen Schwanz eine kleine Grube, die sie danach wieder schließen.5

Beschreibung:
Das Gesicht und Kehle sind gelb gefärbt. Der Kopf, Nacken und Schultern sind bräunlich bis schokoladenbraun gefärbt.8 Das Fell weist weiße oder cremefarbene Flecken an Rücken, Kruppe und den Extremitäten auf.7
Das Fell besteht aus langen [, gewellten]7 [ca. 5 cm](1), groben, äußeren Haaren und kurzen [ca. 2,5 cm](1), dichten, weichen Haaren. Die Männchen besitzen am Rücken einen gelblich gefärbten Streifen aus kurzen Haaren der an den Schultern beginnt und von hellgelb oder braunorangen Bereich umrahmt wird und dann schwarzbraun gefärbt bis zum fast zum Schwanz führt. Dieser in spanischen "especulum,[spéculum]5" genannte Streifen fehlt den Weibchen. Die Weibchen haben dagegen einen dunkelbraunen, unterbrochenen Streifen auf dem Rücken. Die Bauchseite ist graugrün aufgrund des Algenbewuchses im Fell.8 Die Weibchen sind kleiner als die Männchen. Die Augen mit einer schwarzen Maske; die Ohren sind so klein, dass sie im Fell verschwinden; Pfoten vorn und hinten besitzen jeweils drei lange, cremefarbene und leicht gebogene Krallen.7 Der Schwanz ist extrem kurz (3,1-7,5cm)8,4 [2,7-7,0cm]7[2,2-11cm](1). Länge (Kopf und Körper): 18,3-39,4cm8 [44-55cm]7[45-76cm](1)[50cm4]; Hinterfuß ohne Krallen : 45-82cm8 [8,5-14,cm]7; Ohren 1,0-1,5cm8;[0,8-1,4cm]7 ;Gewicht: 0,225-1,200kg8 [3-6kg]7[3,6-6,5kg](1).

Stimme:
Über die stimmlichen Äußerungen von Bradypus tridactylus gibt es nur wenige Angaben. Die Audiodatenbank der Universität McCowlay hat bis heute (02.2016) keine Audioaufnahme von diesem Tier.
Brehm (1883)1 berichtet, dass die Stimme nur selten und dann am Morgen und Abend zu vernehmen sei, diese nicht laut, und aus einem kläglichen, geradeaus gehaltenen, feinen, kurzen und schneidenden Tone, welcher von einigen mit einer oftmaligen Wiederholung des Lautes I wiedergegeben wird, besteht. Bei Tage würde man nur tiefe Seufzer hören. Wenn das Tier am Boden ist, sind keine Laute zu hören.1
Auch Humboldt erwähnt nur ganz kurz in einer Aufzählung von Tieren die nachts von den Indios an der Stimme identifiziert wurden, dass das Faultier stimmlich in Erscheinung tritt.
Es wird berichtet, dass zwischen dem Weibchen und seinem Jungtier untereinander mit spitzen Pfiffen kommuniziert wird.7

Nahrung:
Die Weißkehl-Faultiere sind blätterfressend (foliovor).11 Sie fressen [zarte7] Blätter und Knospen verschiedener Baumarten.8 Folgende Baumarten wurden in Costa Rica hauptsächlich durch Bradypus sp. aufgesucht (innerhalb von 7 Tagen vor Defäkation)2:
  • Spondias radlkoferi (Anacardiaceae)2 Jobo; es gibt andere Arten von Spondias in Venezuela3
  • Cordia alliodora (Boraginaceae)2 Pardillo, in Venezuela weit verbreitet3
  • Leucaena spp.(Fabaceae)2 Grifo, im Norden von Venezuela mit Leucaena trichodes vorhanden3.
  • Cecropia spp. (Urticaceae)2 Yagrumo,  Ameisenbäume, in Venezuela mit C. latiloba (u. A. Delta Amacuro, C. metensis, C. peltrata (weit verbreitet in Venezuela, u. A. Delta Amacuro)3.

Erst vor kurzem wurde in Costa Rica ein Vergleich zwischen den im Fell enthaltenen Organismen und den Mikroorganismen im Magen und Fäzes des Zweifinger-Faultiers (Choleopus hoffmanni) und des Dreifinger-Faultiers (Bradypus variegatus.) miteinander verglichen.
Dabei wurde festgestellt, dass es eine wohl eine spezifische Mutualismus (= alle Partner haben Vorteile von der Partnerschaft)zwischen den Faultieren (Bradypus ssp.) und den, in ihrem Fell wohnenden, Motten (Cryptoses sp.) und Algen (Trichophilus ssp.) gibt. Wenn die Faultiere zum Boden klettern um dort du defäkieren, haben weibliche Motten die Gelegenheit in den Fäzes ihre Eier zu legen. Die Larven der Motten sind kotfressend und suchen als Motte wieder das Fell des in den Baumwipfeln lebenden Faultiers auf. Durch den Abbau der Nährstoffe und Mineralien tragen die Motten zu einem höheren anorganischen Stickstoffgehalt im Fell bei, welches wiederum den Algen zu Gute kommt. Die Algen beinhalten einen hohen Protein- und Fettgehalt und werden von den Faultieren aus dem Fell aufgenommen und ergänzen damit ihre karge Kost. Die Algen im Fell tragen zur Tarnung in den Baumwipfeln bei. Im Vergleich der beiden Faultiergattungen sind die Biomasse der Motten, der Stickstoffgehalt und die Biomasse der Algen (Chlorophyllgehalt) bei den Dreifinger-Faultieren wesentlich höher als bei Choleopus.(3),9  Aber auch Käfer (Trichillum adisi) und Milben (Macrocheles impae und M. uroxys) bewohnen das Fell von Bradypus tridactylus, erstere in der Nähe der Ellenbögen und Knien. Auch sie haben einen Lebenszyklus mit einem Entwicklungsstadium im Dung des Faultiers. Weitere Käfer im Fell sind Uroxys batesi und U. besti. Die die Ameisenbäume (Cecropia sp.) bewohnenden Ameisen (Azteca) landen mit dem Blättern im Magen des Faultiers.6

Feinde:
Bradypus tridactylus ist gefährdet durch den Jaguar (Panthera onca) und die Langschwanzkatze (Margay [en], [es], Tigrillo [es]) (Leopardus wiedii), die Anakonda (Eunectes sp.) und die Harpyie (Harpia harpyja).6 Auch der Würgadler (Morphnus guianensis) wird genannt7. Die Verteidigungsstrategie des Dreifinger-Faultiers besteht darin, gut getarnt zu sein und sich still zu verhalten. Eine direkte Konfrontation überlebt das Faultier nicht. (siehe weitere Referenzen6).
Gelegentlich werden diese Tiere von Indigenen aufgrund ihres Fleisches gejagt, die Krallen als Schmuck verwendet.7

Reproduktion:
Sie pflanzen sich während der Trockenperiode [in Franz. Guiana März-September + Januar-April; Guyana: Begattung März-April, Geburten Juli-September, in den Bäumen]6 fort, wobei ein Jungtier geboren wird [auch in den Bäumen]6.7 Die Zeit der Schwangerschaft wird unterschiedlich angegeben (106 Tage bis 6 Monate)6 [4-6 Monate]5. Das Jungtier wird für lange Zeit vom Weibchen am Körper getragen.7 Nach drei Wochen nimmt das Jungtier die erste, von der Mutter vorgekaute, feste Nahrung zu sich; nach fünf Wochen frisst es selbst die ersten Blätter, wobei es mehr als ein Monat [10 Wochen]5 von der Mutter gestillt wird.6 Noch vor Erreichen des Alters von einem Jahr verlässt das Jungtier die Mutter um allein zu leben.5

Sonstiges:
Sie sind dämmerungs- und tagesaktiv [tag- und nachtaktiv7], ihre Bewegungen extrem langsam. Sie schlafen im Durchschnitt 18,5 Stunden am Tag.6 Sie können gut schwimmen und leben meist einzeln.8Aggressionen treten nur innerhalb des gleichen Geschlechts auf, die Kämpfe werden mit Krallen und nur selten mit Bissen geführt.6

!:
IUCN 2015-4(2): LC = Least Concern (nicht gefährdet), Libro Rojo de la Fauna Venezolana (2003)10: Nicht enthalten, CITES Anhang: II; Señaris et al (2009)11 stuft die Art als VU = vulnerable, gefährdet ein.

Referenzen:
1Brehms Thierleben (1883): Allgemeine Kunde des Thierreichs; Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts; S. 487-498. [de]
2Dill-McFarland K.A., P.J. Weimer, M.Z. Peery, J.N. Pauli & G. Suen (2015): Diet specialization selects for an unusual and simplified gut microbiota in two- and three-toed sloths. Environmental Microbiology. siehe Zusatzmaterial emi13022-sup-0010-si.pdf [en]
3Duno de Stefano R., Aymard G., Huber O. (Eds.) (2007): Catálogo Anotado e Ilustrado de la Flora Vascular de los Llanos de Venezuela, FUDENA, Fundación Empresas Polar, FIBV, pp 739, ISBN 980-379-157-5. [es]
4Eisenberg J. F. (1989): Mammals of the Neotropics: Panama, Colombia, Venezuela, Guyana, Surinam, French Guiana; The University of Chicago Press; ISBN 0-226-19540-6 (paperback) (S. 57) [en]
5Gremone C. et. al. (1984?): Fauna de Venezuela - Vertebrados, Editorial Biosfera, ISBN 980-210-011-0 (S. 37) nur Bradypus sp.[es]
6Hayssen V. (2009): Bradypus tridactyla (Pilosa: Bradypodidae). Mammalian Species 839, S. 1–9. [en]
7Linares O. J. (1998): Mamíferos de Venezuela, Sociedad Conservacionista Audubon de Venezuela, ISBN980-6326-16-4 (S. 80) [es]
8Lord R. (1999): Mamíferos silvestres de Venezuela, Armitano Ed. C.A., ISBN 980-216-173-x (S. 65) [es]
9Pauli, J.N., J.E. Mendoza, S.A. Steffan, C.C. Carey, P.J. Weimer, and M.Z. Peery. (2014): A syndrome of mutualism reinforces the lifestyle of a sloth. Proceedings of the Royal Society B 281: 20133006. [en]
10-6Rodríguez, Rojas-Suárez (2003): Libro Rojo de la Fauna Venezuelana (2nda Ed.), PROVITA ISBN 980-04-4572-6, Fundación Polar ISBN 980-6397-61-4 (S. -) [es]
11-7Señaris J.C., Lew D., Lasso C. (Eds.)(2009): Biodiversidad del Parque National Canaima, Fundación La Salle de Ciencias Naturales, Caracas, ISBN 978-980-7990-07-0
Technische Basis für die Erhaltung des venezolanischen Guayana-Gebietes. Mit Angaben zu Vegetationszonen, Artenlisten etc. (Annex 5) [es]

Web:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fkehl-Faultier (1) [de]
http://www.iucnredlist.org/details/3037/0 (2) [en]
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/faultiere-riskieren-alles-fuer-motten-im-fell-a-944804.html (3) [de] zu Pauli et al. (2014)9
 

 

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